Nach den vier ereignisreichen und spannenden Exkursionswochen ging es für mich von Alta Floresta direkt in ein neues Abenteuer im Großstadtdschungel Sao Paulos. Dort hatte ich die Chance drei Wochen lang an verschiedenen Sozialprojekten mitzuarbeiten. Ermöglicht wurde mir diese Erfahrung durch die deutsche Organisation EduCare, die mehrere Projekte in Sao Paulo durch Spenden unterstützt.
Die deutschen Freiwilligen, die immer wieder über Educare nach Brasilien gehen, finden meistens im Haus der Missao SAL Unterkunft. Dies ist ein von einer christlichen Gemeinde initiiertes soziales Wohnprojekt, in dem männliche Drogenabhängige und Ex-Prostituierte Unterschlupf finden und zurück in ein geregeltes Leben geführt werden sollen. Neben kleineren Aufgaben im Haus helfen die Freiwilligen aber hauptsächlich außerhalb des Wohnprojekts in anderen sozialen Projekten der Gemeinde bzw. von Educare. Die drei Wochen waren wahnsinnig aufregend und ich habe viel erlebt. Leider kann ich hier nur einen kurzen Einblick in meine Erfahrungen geben und möchte mich daher auf die für mich persönlich wichtigsten sozialen Projekte, in denen ich mitwirken konnte, beschränken.
Die Mission SAL engagiert sich, neben dem eigentlichen Wohnprojekt und anderen sozialen Projekten, unter anderem in einer Favela in der Nachbarschaft. Zwei bis drei Mal pro Woche bin ich zusammen mit den Missionaren und anderen Freiwilligen in die Favela gefahren, um mich dort um die Kinder zu kümmern. Vor Ort war ich jedes Mal von Neuem über die Situation geschockt: schlechte Straßen, überall Müll, längst nicht jeder Haushalt hat fließendes Wasser, absolut baufällige Häuser…. Doch trotz der schlechten Lebensbedingungen sind die Kinder unglaublich fröhlich und begeisterungsfähig. Sie freuen sich wenn man sich mit ihnen beschäftigt. Normalerweise wurde immer zuerst etwa eine Stunde „Schule“ gemacht, d.h. es wurde Schreiben, Lesen und Rechnen geübt. Dies hat sich als absolut notwendig herausgestellt: Manche der Kinder gehen zwar schon seit ein paar Jahren regelmäßig in die Schule, beherrschen aber trotzdem noch nicht die Grundkenntnisse, wie beispielsweise das Einmaleins. Die öffentlichen Schulen in Brasilien sind katastrophal: völlig überfüllte Schulklassen, keinerlei Disziplin und völlig unterbezahlte, überforderte Lehrkräfte. Den Kindern in der Favela hat der Unterricht total viel Spaß gemacht, weil sich endlich jemand für sie Zeit genommen hat. Nach getaner Arbeit wurde dann ausgelassen auf der Straße gespielt und mit den Jüngeren auch oft einfach nur gekuschelt. Das Gehen fiel jedoch jedes Mal wahnsinnig schwer, weil man ja an der eigentlichen Situation durch die Arbeit nichts geändert hat…es tat weh die traurigen Gesichter zu verlassen…doch was kann man mehr machen? Wie kann man die Situation speziell in den Favelas von Grund auf ändern?
Die Mitarbeiter von IBTE, was für Instituto Brasileiro de Transformacao pela Educacao steht, denken die Antwort darauf gefunden zu haben: Das öffentliche Bildungssystem in Brasilien muss grundlegend verbessert werden, damit jedes Kind eine Chance auf eine bessere Zukunft hat! IBTE wurde bislang ausschließlich durch Spenden aus Deutschland (Educare) finanziert, seit Kurzem ist es jedoch auch in Brasilien eine anerkannte Organisation und kann nun auch vom Staat Unterstützung erhalten. Die Arbeit des Institutes ist wirklich beeindruckend. Jedes Schuljahr wird 30 Schülern aus öffentlichen Schulen in Sao Paulo ermöglicht zusätzlich zum Schulunterricht kostenlosen Unterricht in Fächern wie Mathematik, Portugiesisch, Englisch, Geschichte, Politik, Informatik u.a. zu bekommen. Dabei handelt es sich um sehr guten Unterricht in kleineren Gruppen, der von Studenten durchgeführt wird. Ich durfte dort an drei Tagen in der Woche Englisch unterrichten, was mir sehr viel Spaß gemacht hat. Zwar haben die Schüler sehr wenige bis keine Vorkenntnisse (das IBTE Schuljahr hat gerade erst angefangen), sie sind aber mit Freude dabei und geben sich große Mühe. Sie wissen es wirklich zu schätzen, dass sie diese Chance bekommen und sehen Bildung als ein Geschenk an. Vielleicht sollte sich manch ein Schüler in Deutschland eine Scheibe von ihnen abschneiden…
Während der drei Wochen in Sao Paulo habe ich sehr viel erlebt. Manche Erlebnisse haben mich sehr fröhlich und andere sehr traurig gestimmt. Die Arbeit die von den Freiwilligen vor Ort geleistet wird, ist absolut unglaublich und sehr wichtig für die weitere Entwicklung Brasiliens. Ich möchte auf jeden Fall wieder dorthin gehen und mithelfen! Insgesamt kann ich nun nach meiner Rückkehr nur immer wieder staunen in welchem Luxus wir hier in Europa leben und wie gut es uns geht…und das ist uns teilweise leider gar nicht so bewusst. Unsere Lebensumstände, sowie die Möglichkeit an einer guten Uni zu studieren als auch die Aussicht auf einen guten Job ist wirklich ein Geschenk, das man schätzen sollte!!! Denkt einfach mal ein bisschen darüber nach…
Lisa Graf (LG)