„…Bom dia… música… senhor…“ Eine durchdringende Frauenstimme, unterbrochen von immer wiederkehrendem Gelächter, dringt aus dem weißen Lautsprecher an Julias Ohr. Aus ebendiesem Lautsprecher, der außerdem ein Verstärker ist, ragt ein Kabel, das in das trübe Wasser des Rio Cristalino mündet. Am Ende des Kabels unterhalb der Wasseroberfläche befindet sich ein etwa 30 cm langer Stab mit zwei Elektroden. Dieser dient dazu elektrische Spannung im Wasser zu messen. Der Verstärker wandelt die gemessene Spannung dann in ein akustisches Signal um. Sinn der Messungen, die wir am Rio Cristalino durchführen, ist das Aufspüren schwach elektrischer Fische. Die gesamte Messkonstruktion in Julias Händen wird deshalb auch sehr treffend als „Fishfinder“ bezeichnet.
Wir begaben uns also im Auftrag der Forschung selbst an die ungangbarsten Uferstellen, um unsere Elektroden ins Wasser zu halten. Die Überraschung war groß, als uns schon bei den ersten Messungen der Redeschwall einer uns unbekannten Brasilianerin entgegen tönte. Nein, die schwach elektrischen Fische haben entgegen erster Vermutungen kein Portugiesisch erlernt! Dass es hier am Rio Cristalino im tiefsten Regenwald zwar keinen Mobilfunk, dafür aber Radioempfang gibt, ist aber auch schon eine Entdeckung!
Später am Tag gab es dann aber noch allen Grund zum Feiern! Inmitten der lila blühenden Wasserhyazinthen der Gattung Eichhornia konnten wir erfolgreich die ersten Signale Schwach elektrischer Fische messen und sogar aufzeichnen. Diese schickten wir direkt an Professor Dr. Jan Benda, Leiter der Abteilung Neuroethologie an der Universität Tübingen. Trotz Zeitverschiebung bekamen wir direkt eine Antwort, samt Artbestimmung: Wir haben offenbar gleich mehrere Individuen der Art Eigenmania virescens, zu deutsch Grüner Messerfisch, aufgespürt. Neue Ziele sind nun die Durchführung weiterer Messungen und wenn möglich die Isolation einzelner Fische. Auch im Pantanal hoffen wir weitere schwach elektrische Fische zu finden.
Bei der Bezeichnung „Schwach elektrische Fische“ handelt es sich um einen Überbegriff verschiedenster Süßwasser-Fischgattungen, welche die Fähigkeit gemein haben, ein schwaches elektrisches Feld auszubilden. Dieses elektrische Feld wird mittels eines elektrischen Organs generiert, das gewöhnlich im Schwanzbereich der Tiere zu finden ist. Zweck der elektrischen Signale, welche sich im Millivolt-Bereich befinden, ist zum einen die Wahrnehmung der Umgebung und zum anderen die innerartliche Kommunikation. Im Rahmen der Brasilienexkursion möchten wir neue mögliche Standorte für die Feldforschung an schwach elektrischen Fischen untersuchen. Den Auftrag dazu bekamen wir im Rahmen unserer Bachelorarbeit beziehungsweise eines Hiwi-Jobs von Jan Benda, welcher uns auch gleich das entsprechende Material zu Verfügung stellte. Wir sind sehr gespannt auf weitere Entdeckungen und Messungen!
Timo Moritz und Vivica von Vietinghoff untersuchten 2006 die Fische am Rio Cristalino.
MP
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