Während die Exkursionsgruppe im Rahmen des Geoökologischen Praktikums durch die Bundesstaaten Bahia und Rio Grande do Sul reiste, verabschiedeten sich Marvin und Nils in Ilhéus von der Gruppe und begaben sich zurück in Richtung des Amazonas-Regenwaldes. Das Ziel war das Instituto Araguaia im Cantão State Park in Tocantins, an dem Nils 2017 fast vier Monate lang Riesenotter (Pteronura brasiliensis) erforscht hat (Hier der Praktikumsbericht).
Angekommen in Cantão erwartete uns ein vollkommen ungewohntes Bild. Während unsere letzten Aufenthalte zur Trockenzeit stattfanden und große Sandbänke sowie trockene Wälder vorzufinden waren, steht aktuell der Igapó-Wald fast fünf Meter tief unter Wasser. Entsprechend standen an Stelle von großen Wanderungen tägliche Kanufahrten auf dem Programm, bei welchen wir den Wald auf ungewohnte Weiße auf dem Wasser durchquerten. Besonders spannend waren dabei die Araguaia-Flussdelfine (Inia araguaiensis), welche nahezu täglich neugierig unser Kanu verfolgten.
Noch häufiger waren die überall an den Flüssen und Seen sitzenden Hoatzins (Opisthocomus hoazin) anzutreffen, die mit ihren Grunzlauten ständig zu hören sind. Während der Regenzeit nutzen sie Büsche und Bäume, welche durch das steigende Wasser für Prädatoren wie Nasenbären und Kapuziner nicht zu erreichen sind, zur Brut. Der ansteigende Wasserpegel stellt jedoch auch eine Gefahr für die Gelege dar, da einige Nester zu überschwemmen drohen. Allein mit dem Sturm in unserer letzten Nacht an der Forschungsstation ist das Wasser in dem Gebiet um rund 20 cm angestiegen.
Neben den für uns unsichtbaren Jaguaren, waren natürlich auch die Riesenotter eines der Hauptziele unserer Reise nach Cantão. Da mit angestiegenem Wasserstand ein Großteil des 90.000 Hektar großen Parks unter Wasser steht, lassen sich die „Wölfe der Flüsse“ zur Regenzeit nur sehr selten blicken. Umso schöner ist es, alt bekannte Ottergesichter wiederzusehen (leider ohne Bild).
Wer in Cantão überleben will, muss mit den enormen Wassermassen zur Regenzeit zurechtkommen. Während fast alle Giftschlangenarten aufgrund fehlender Anpassung nur im angrenzenden Cerrado zu finden sind, wandern große Tiere wie Tapire und Jaguare verstärkt zur Regenzeit in die Savannenlandschaft. Entsprechend wichtig ist der Schutz beider Ökosysteme. Mit der Gründung eines ersten privaten Schutzgebietes (RPPN) 2017 und Plänen für eine Ausdehnung der unter Schutz stehenden Fläche durch weitere RPPNs (Link)kann nicht nur die in Cantão lebende Tierwelt ganzjährig geschützt werden, sondern auch ein Stück des durch den Soja-Anbau stark zurückgegangenem Tiefland-Cerrados, der artenreichsten Savanne der Welt.
Wer dem steigenden Wasser nicht aus dem Weg gehen kann, muss sich etwas anderes einfallen lassen. Ameisenstaaten verlassen ihre Bauten und halten sich als große Kugeln an den letzten aus dem Wasser ragenden Stängeln und Grashalmen fest. Als unachtsamer Kanufahrer kann dies zum plötzlichen Angriff zahlreicher Feuerameisen führen, welche ohne Zweifel das Kanu entern würden. Ein beherzter Sprung der Insassen ins tiefe Wasser und das Zurücklassen des Kanus wären die Folgen. Zum Glück haben wir diese Erfahrung nicht machen müssen.
Abschließend stand noch eine Bootstour zum Rio Araguaia auf dem Programm. Der Rio Araguaia bildet gemeinsam mit dem Rio Tocantins, in welchen er mündet, den 32. längsten Fluss der Welt und ist damit einer der wichtigsten Flüsse Brasilien. Hier an der Grenze zu Cantão ist er über 2 km breit, überflutet aber zusätzlich noch die Wälder auf beiden Uferseiten.
Nach unserem Aufenthalt in diesem faszinierenden Ökosystem trafen wir am Flughafen in São Paulo auf die Teilnehmer des Geoökologischen Praktikums, um mit ihnen gemeinsam zurück nach Deutschland zu fliegen.