Von der Fazenda Santa Clara waren wir 26 Stunden mit Bussen und Flugzeugen unterwegs, bis wir abends Diamantina erreichten. Zwischendurch konnten wir ein wenig am Flughafen von São Paulo schlafen, wo wir 3 Stunden auf unseren Anschlussflug nach Belo Horizonte warteten.
Auf dem Weg von Belo Horizonte, der Hauptstadt des Bundesstaats Minas Gerais, nach Diamantina machten wir einen Zwischenstopp an der Höhle Gruta do Maquiné. Die Tropfsteinhöhle ist 650 m lang und an ihrer höchsten Stelle 18 m hoch. Sie wurde 1825 von dem damaligen Landbesitzer J. M. Maquiné entdeckt und 1835 durch den dänischen Paläontologen und Botaniker Peter W. Lund erforscht. Er beschäftigte sich mit den 7 Kammern der Höhle, die heute von Besuchern besichtigt werden können. Dabei fand er Skelette heute ausgestorbener Arten und eine Höhlenmalerei, die wahrscheinlich auf einen nomadischen Stamm von vor 5000 – 6000 Jahren zurückgeht. Bekannt ist die Höhle, weil man durch diese Funde nachweisen konnte, dass der moderne Mensch (Homo sapiens sapiens) noch zeitgleich mit der Megafauna (z.B. Riesenfaultier, Riesengürteltier) gelebt hat.

Zur Vorbereitung auf die geführte Tour in die Maquiné Höhle prüften wir unsere Haarnetze

… auf welche anschließend die Bauhelme aufgesetzt wurden.
Auf der Weiterfahrt konnten wir den für Minas Gerais charakteristischen Landschaftstyp, den Cerrado, sehen. Der Cerrado ist eine Savanne, die aus hohem Gras mit vereinzelten niedrigen Bäumen (3 – 9 m) besteht. Er erstreckt sich über eine Fläche so groß wie Alaska im Inland Südost-Brasiliens, bis an die Grenzen zu Bolivien und Paraguay. Das Klima ist halbtrocken mit einer Regenzeit von Oktober bis April. In dieser Zeit fällt der Großteil des Jahresniederschlages, der ungefähr bei 1000-2000 mm/a liegt. Tübingen: 780 mm/a. Während der Trockenzeit erreichen nur die Bäume Bodenwasser, während Gräser und Sträucher vertrocknen. Manche Pflanzen sind in der Lage ihr Chlorophyll nach Austrocknung neu zu bilden. Der Fachbegriff für diese Fähigkeit ist poikilochlorophyll. Die Böden sind zwar tiefgründig, aber nährstoffarm und sauer, weshalb sie für die landwirtschaftliche Nutzung mit Kalk versetzt und gedüngt werden müssen. Das ist auch der Grund, warum hier natürlicherweise kein flächendeckender Wald vorkommt.
An einigen Stellen wurde großflächig gerodet, um Eukalyptusmonokulturen anzupflanzen. Die Stämme werden für die Cellulosegewinnung genutzt, die dann zum Beispiel in der Papierindustrie weiterverwendet werden. Ursprünglich kommt Eukalyptus aus Australien, Tasmanien und Ost-Indonesien. Die Bäume wachsen sehr schnell und werden aus diesem Grund weltweit in den Tropen und Subtropen als Nutzpflanzen angebaut. Da Eukalyptusblätter und -zweige ätherische Öle enthalten, erhöht die Anpflanzung die Gefahr der Ausbreitung von Waldbränden.
Leider konnten wir nicht wie geplant die nächsten Tage im Nationalpark Sempre-Vivas verbringen, weil die Zufahrtsstraße durch starke Regenfälle nicht passierbar war. Deshalb mussten wir auf ein Alternativprogramm ausweichen. Morgens wanderten wir zu der kleinen Fazenda von Laerte, der die Felsenmeerschweinchen (Kerodon rupestris) nicht wie die meisten anderen Landbesitzer jagt, sondern regelmäßig mit Maisschrot füttert. Die Felsenmeerschweinchen sind durch verdickte Zehenballen und längere Beine an ein Leben in trockenem, felsigem Gelände angepasst. Zu ihren Fressfeinden gehören Pumas und Greifvögel.

Felsenmeerschweinchen (Kerodon rupestris)



Kerodon rupestris mit Tropidurus torquatus
Die Felsvegetation der Region wird dominiert durch Vertreter der Familie der Eriocaulaceae und Velloziaceae. Beide gehören zu den Monokotyledonen, die Eriocaulaceae zur Ordnung der Poales (Süßgrasartige) und die Velloziaceae zu den Pandanales (Schraubenbaumartige).

Actinocephalus polyanthus gehört zu der Familie Eriocaulaceae
Im Anschluss sind wir entlang einer der ältesten Straßen Brasiliens zum Rio Jequitinhonha gefahren. Dort gab uns Uli K. einen Einblick in die bewegte Geschichte der Region: Die ersten Straßen Brasiliens wurden von Rio de Janeiro in das Landesinnere gebaut, um den Abbau von Gold und Diamanten zu fördern. Der Abbau begann in Brasilien zu Anfang des 18. Jahrhunderts und dauert bis heute an. Früher fand der Abbau unter der Führung des portugiesischen Königshauses statt. Es wurden ab 1538 Sklaven aus Afrika nach Brasilien gebracht, um auf Zuckerrohrplantagen zu arbeiten oder um Diamanten abzubauen. Erst 1888 wurde die Sklaverei in Brasilien beendet.
Zwei berühmte deutsche Naturforscher – Johann B. von Spix und Carl F. P. von Martius – kamen auf ihrer Brasilienexpedition auch genau an dieser Brücke vorbei. Die beiden waren 1817 in Erlangen als Teil der österreichischen Brasilienexkursion aufgebrochen und kamen 1820 zurück. Martius (Botaniker) verfasste zahlreiche Bände über die Flora Brasiliens, die noch heute als Grundlage der Erforschung der Botanik Brasiliens dienen. Spix publizierte über die Zoologie durch seinen frühen Tod (1826) jedoch deutlich weniger als von Martius. Bekannt sind seine Vogelbeschreibungen, weshalb man einen kleinen, blauen Ara nach ihm benannte. Der Spix-Ara (Cyanopsitta spixii) ist seit 2000 in der Wildnis ausgestorben, wird jedoch in verschiedenen Projekten gezüchtet. Gelebt hat er wahrscheinlich ausschließlich in den Galeriewäldern in Bahia.

Uli K. erläutert die Geschichte der Estrada Real

Der frühere Goethe-Instituts Bibliothekar Uli K. muss sich danach erstmal ausruhen.

Columbina picui strepitans: Eine von Spix im Jahre 1825 beschriebene Art
Im Anschluss betrachteten wir die Vegetation auf den dunklen Felsen in der Nähe des Flusses, auf denen die Temperatur in der Trockenperiode enorm ansteigt.

Portulaca hirsutissima besitzt starke Behaarung als Anpassung an hohe Temperaturen
Im Nationalreservat Biribiri haben wir uns im Wasserfall Cachoeira da Sentinela abgekühlt.

Ein Gruppenfoto beim Baden am Wasserfall Cachoeira da Sentinela
Nachmittags besichtigten wir Diamantina. Die Stadt liegt 284 km nördlich von Belo Horizonte und wurde im 17. Jahrhundert gegründet, als dort die ersten Diamanten Brasiliens gefunden wurden. Heute hat sie 44.000 Einwohner und eine wunderschöne Altstadt mit Gebäuden in barocker Bauweise, die 1999 zum UNESCO Weltkulturerbe erklärt wurde.
Das Gebäude des Instituto Casa da Glória ist eines der Wahrzeichen der Stadt. Es wurde 1775 erbaut und zuerst von den Portugiesen, dann von katholischen Nonnen und nun von dem Eschwege Geology Center genutzt. Heute ist es ein Museum über die Geschichte des Hauses und die Geologie der Umgebung. Das Gebäude bietet eine Unterkunft für Forscher und Studenten auf Studienreise an.

Das Casa da Gloria

Von rechts ist ein Portrait von Baron von Eschwege zu sehen, der in den Jahren von 1809 – 1821 in Minas Gerais als Geologe aktiv war.

Eine Auswahl der Mineralien, die im Umfeld von Diamantina gefunden werden konnten im Casa da Gloria besichtigt werden. Das Museum steht unter der Verwaltung der föderalen Universität UFMG von Minas Gerais.
Am nächsten Tag sind wir mit Márcio Lucca, einem Umweltanalysten des ICMbio und ehemaligen Leiter des Nationalparks Sempre-Vivas, in den Ort Mendanha gefahren.
Auf dem Weg fand Lucas einen Großen Ameisenbär (Myrmecophaga tridactyla), der durch eine Kollision mit einem Auto verstorben ist. Diese Tiere ernähren sich vorwiegend von Ameisen und Termiten (35.000 täglich) worauf sie durch ihre lange Zunge (bis 60 cm) und Schnauze und je eine 10 cm lange Kralle an den Vorderpfoten angepasst sind. Sie kommen in Mittel- und Südamerika vor und bewohnen vor allem die Savanne, aber auch Wälder und Sumpflandschaften. Leider fallen sie häufig Verkehrsunfällen zum Opfer, weil ihre Augen nachts nicht reflektieren und sie nicht schnell genug laufen können, um Fahrzeugen auszuweichen.

Auf diese Weise wollten wir dem Großen Ameisenbären nicht begegnen.
Aus Zeitmangel konnten wir den 20 km langen Wanderweg (Camino des escravos) nicht komplett begehen, weshalb wir vom Ende des Weges einige Kilometer zu einem Wasserfall gelaufen sind. Der Weg wurde von Sklaven gebaut und zur Befestigung mit Steinen ausgelegt. Heute fehlen viele der Steine, weil sie von den Anwohnern für eigene Baumaßnahmen benutzt wurden.

Der Rio Jequitinonha in Mendonha bei Diamantina, wo der Caminho dos Escravos von Diamantina aus endet.
Als der Regen sich verzog, konnte ein Teil der Gruppe verschiedene Arten von Kolibris (Trochilidae) an einer Lichtung beobachten. Kolibris kommen fast in ganz Amerika, aber vorwiegend im tropischen Teil vor. Sie ernähren sich hauptsächlich von Blütennektar, fangen aber auch Insekten und Spinnen als Eiweißquelle. Ihre Körperlänge samt Schnabel variiert zwischen 5 cm und 25 cm, die Schnabelformen sind jeweils an einen Blütentyp angepasst. Die Zunge ist lang und an der Spitze gespalten, um den Nektar aufnehmen zu können. Die schillernde Farbe des Gefieders – meistens an Kopf, Kehle oder Brust – entsteht durch Interferenz. Die Federn haben mehrere dünne Hornlamellen, die das Licht durch ihre leicht versetzte Position unterschiedlich reflektieren. Der berühmte Schwirrflug zeichnet sich durch eine Frequenz von 40 – 50 Flügelschlägen pro Sekunde aus und kann nur durch eine hohe Atem- und Herzfrequenz geleistet werden.
Die Kolibris besuchten vor allem Stachytarpheta glabra, eine blau blühende Pflanze mit besonders viel Nektar.

Western Swallow-tail Hummingbird (Eupetomena macroura)

Amethyst Woodstar (Calliphlox amethystina)

Amethystohrkolibri (Colibri serrirostris)

Fork-tailed woodnymph (Thalurania furcata)

Glittering-bellied Emerald (Chlorostilbon lucidus)

Sapphire-spangled emerald (Amazilia lactea)

Stachytarpheta glabra
An dieser Stelle ein großes Dankeschön an Xenia, die für uns diese wunderschönen Aufnahmen der Kolibris und auch noch viele weitere Fotos gemacht hat.
Auf dem Rückweg konnten wir zwei endemische Arten entdecken: Syagrus mendanhensis ist ein Palmengewächs (Arecaceae), das bisher nur an vier Fundorten im direkten Umkreis von Diamantina gefunden wurde. Die Art ist vom Aussterben bedroht. Eine Besonderheit der Pflanze ist, dass sie sehr klein bleibt und ihre Früchte einer Studie zufolge sowohl von Vögeln als auch von Säugetieren besonders gerne gefressen werden. Cipocereus crassisepalus ist ein Kakteengewächs (Cactaceae), das bis zu 2 m groß wird und in der Roten Liste von Minas Gerais als stark gefährdet aufgeführt wird.

Syagrus mendanhensis

Zwei der Exkursionsteilnehmerinnen hatten besonderes Glück und stießen auf dem Rückweg auf einen schwarzen Jaguarundi (Puma yagouaroundi). Jaguarundis sind kurzbeinige, etwa 65 cm große Katzen, die trotz ihrer weiten Verbreitung nur selten in freier Wildbahn gesichtet werden. Da das Tier schnell wieder verschwunden war, konnten die Studentinnen leider keine Bilder von ihm machen.
Folgende Pflanzen haben wir auf der Rückfahrt in dem kleinen Ort Vau gefunden:
Der Annattostrauch (Bixa orellana) ist ein in den Neotropen vorkommender Strauch, der rote, stachelige Früchte und Samen bildet. Die Samen werden von Indios als Farbstoff für Körperbemalung, in Mittelamerika als Gewürz und als natürlicher Lebensmittelfarbstoff (E 160b – Bixin, Norbixin) benutzt.

Blüte des Annattostrauchs (Bixa orellana)

Früchte des Annattostrauchs

Aristolochia galeata, Dutch Pipe

Unsere beiden Busfahrer in Minas Gerais Jordano und Jorge.