Wie schon in den vergangenen Jahren (2012, 2013, 2014) wurden wir im RPPN Felicano Miguel Abdala wieder herzlich von Roberto empfangen, der uns an zwei Tagen zu den Northern Muriquis (Brachyteles hypoxanthus) führte. Wied erwähnt die Art in seinen Aufzeichnungen und sandte sie an Kuhl, der sie wissenschaftlich beschrieb.
Aus: Abbildungen zur Naturgeschichte Brasiliens. Herausgegeben von Maximilian, Prinzen von Wied-Neuwied Published 1822 by im Verlage des Grossherzogl. Sächs. priv. Landes-Industrie-Comptoirs in Weimar.
Ein Muruqui etwa in der von Wied-Neuwied skizzierten Haltung
Die Affen sind los… Begegnungen der besonderen Art
Ein Knacken in den Ästen, Rascheln im Blätterdach, ein Pfeifen: die Affen sind da.
Auf dem Rückweg von einem Trail trafen wir unerwartet direkt am Besucherzentrum der Station des RPPN Feliciano Miguel Abdala auf eine Gruppe Nördlicher Spinnenaffen, die unseren Weg in unmittelbarer Nähe überquerten. Zwar wurden wir vom Guide Roberto dazu in gebührendem Abstand aufgehalten, damit sich die friedlichen und neugierigen Tiere nicht zu sehr an menschliche Nähe gewöhnen. Doch auch aus einigen Metern Entfernung war der Anblick der ca. 25 Tiere in den Bäumen beeindruckend.
Diese gehörten zu einer der vier in dem RPPN lebenden Gruppen, die zusammen insgesamt ca. 375 Individuen umfassen. Damit stellt die dort vertretene Population ca. 40% der Gesamtanzahl der aktuell lebenden Nördlichen Muriquis, die wohl inzwischen zwischen 1000 und 1300 zu verorten ist, dar.
Diese Zahlen sind erfreulich, denn als Karen B. Strier von der University of Wisconsin vor ungefähr 30 Jahren ihre Forschung zu den Nördlichen Muriqui begann, waren in dem Schutzgebiet nur noch 40 Individuen anzutreffen. Laut ihren Prognosen ist nun die maximale Anzahl von Individuen, die das begrenzte Gebiet fassen kann, erreicht. Eine Stagnation im Wachstum wäre durch das Anlegen von Korridoren zu anderen Gebieten, in denen Muriqui-Gruppen leben, zu überwinden. Die Arbeit daran ist mühsam und teuer, da die dafür nötigen Gebiete auf über 100 Besitzer verteilt sind.
Finanziert wird die Erhaltung der Muriquis aus verschiedenen Quellen, beispielsweise müssen die Betreiber von Flusskaftwerken Ausgleichszahlungen an den Naturschutz leisten. Eine andere große Hoffnung stellt die Nutzung der Muriqui als öffentlichkeitswirksame Flagship-Species dar. So sind diese Tiere, deren indigener Name ‚friedliches Tier des Waldes‘ nicht nur optisch beeindruckend, sondern sind auch durch ihre unübliche Sozialstruktur sympathisch: Aggression spielt in der Gruppe keine Rolle, was sich unter anderem darin äußert, dass es keinen Geschlechtsdimorphismus gibt, optische Unterschiede zwischen Männchen und Weibchen sind also äußerst schwach ausgeprägt. Die Jungtiere bleiben zwei Jahre bei der Mutter, mit erreichen der Geschlechtsreife nach ca. 7,5 Jahren verlassen die Weibchen die Gruppe, um sich in einer neuen, nicht verwandten Gruppe fortzupflanzen. Auch im Alter von 40 Jahren sind Muriqui-Weibchen noch fortpflanzungsfähig. Bei der Aufsicht der Jungtiere helfen auch die älteren Individuen: so bilden sie z.B. mit vollem Körpereinsatz Brücken, über die auch fremde Jungtiere Lücken im Geäst überqueren können. Auch Körperkontakt spielt eine große Rolle bei den Muriqui, die sich oft gegenseitig umarmen. Einen besonderen Stellenwert nehmen diese Umarmungen bei der Verteidigung der Gruppe ein: wird diese angegriffen, umarmen sich die Männchen. Dadurch wirken sie zum einen größer, zum anderen stärken sie die Moral der Gruppe. Auch auf unsere Präsenz reagierten die großen Primaten (zählt man die Extremitäten mit, erreichen sie eine stattliche Größe von ca. 2m) gelassen.
Es ist nicht verwunderlich, dass diese soziale, friedliche und sympathische Art ebenfalls zur Debatte stand, als es um die Entscheidung für ein Fifa-WM-Logo ging. Leider verloren die Muriquis das Rennen gegen das (stark gefährdete) Nördliche Kugel-Gürteltier Tolypeutes tricinctus, das mehr an einen Ball erinnert.
Diesen Tieren in freier Natur so nahe zu kommen, war für alle eine einzigartige Erfahrung. Und es blieb nicht bei dem einen Zusammentreffen: Nachmittags kreuzte vollkommen überraschend eine weitere Teilgruppe unseren Weg, diesmal waren auch einige große Männchen dabei.
Welch ein Glück wir an dem ersten Tag im Schutzgebiet hatten, zeigte der folgende. Den ganzen Tag über konnte ein einziger Muriqui aus der Ferne gesichtet werden.
Für die fehlenden Spinnenaffen entschädigten jedoch einige Brüllaffen, die sich zum Mittagsschlaf und zum Fressen in den Baumkronen über unseren Köpfen aufhielten und gelassen unsere Gruppe bei der Mittagspause beobachteten. Anders als die Muriqui, die am liebsten Früchte und Blüten naschen, bleiben die Brüllaffen Alouatta guariba clamitans, die vor allem Blätter fressen, meist an einem Ort, was die Beobachtung erleichtert. Zuletzt konnten auch Kapuziner-Affen gesichtet werden.
Das seltene Krallenäffchen Callithrix flaviceps, welches ebenfalls in diesem Waldstück vorkommt, machte sich allerdings rar.
Die Sichtung der drei Affenarten, verschiedener Vogelarten, einer Vogelspinne, zahlreicher Schmetterlinge, und diverser anderer Insekten machte uns eindrücklich den Artenreichtum dieser kleinen, fragmentierten Waldstücke des Mata Atlântica (Atlantischer Regenwald) bewusst. Die Bildung von Korridoren, die vor allem unter der Flagge der Muriqui vorangetrieben wird, ist auch im Hinblick auf die anderen Arten und die Erhaltung des Artenreichtums unabdingbar.
(Infoquelle: Vortrag von Marcello Nery, Mitschrieb von Manuel). Marcello Nery ist einer der Verantwortlichen für die Erstellung von Schutzprogrammen für den Northern Muruqui.)
Während die meisten beobachteten oder fotografierten, fand Viktoria die Muβe, einen der Spinnenaffen zu zeichnen.
Zum Unterschied der Habitatansprüche der Northern und Southern Muriquis erschien 2010 eine Arbeit in Ecotropica (Boubli et al. 2010).
Die Fotofalle erwischte einen Nasenbär.
Read Full Post »