Am Samstag, 01.12.2013, ist der vierte Praktikant am Rio Cristalino eingetroffen. Jonas Benner, der dieses Jahr an beiden Lehrveranstaltungen in Brasilien teilgenommen hatte, wird über die endemischen Pfeilgiftfrösche am Rio Cristalino arbeiten. Dabei wird er u. a. vergleichend Daten in der Regenzeit (jetzt!) erheben und mit denen, die Martin Schlenhardt in der Trockenzeit erhob, vergleichen. Im Februar werden wir Jonas mit den Exkursionsteilnehmern treffen.
Der erste Bericht von Jonas Benner:
Nach insgesamt 51-stündiger Anreise bin ich am Rio Cristalino angekommen. Wo bin ich?
Im Herzen Brasiliens mache ich mich auf die Suche nach Pfeilgiftfröschen. Der 330 km lange Rio Cristalino entspringt in Pará nordöstlich von Alta Floresta und fliesst nahe meines Untersuchungscamps in den Rio Teles Pires. Der Teles Pires fliesst im Norden mit dem Rio Juruena zusammen und bildet ab da den Rio Tapajós. Dieser fliesst bei Santarém in den Amazonas.
Um mich im Untersuchungsgebiet zurechtzufinden, führte mich Fino, einer der lokalen Guides, den ich seit der Exkursion in 2013 kenne, durch das sich auf östlicher Flussseite befindliche Untersuchungsgebiet. Dabei konnte ich erste Eindrücke sammeln. Wir konnten in nur vier Stunden mehrere Individuen von Ameerega flavopicta finden.
Das Untersuchungsgebiet ist ein großes Granitplateau, das sich 80 m über dem Flussniveau befindet. Die Vegetation auf dem Plateau gleicht eher einer Cerrado-Vegetation und weicht stark vom umgebendem Regenwald ab. In den vielen Vertiefungen im Granit sammelt sich Regenwasser und so bilden sie ideale Laichplätze für Amphibien. Ameerega flavopicta habe ich bisher in großer Zahl auf dem Plateau angetroffen.
Tiefer im Regenwald fand ich viele mit wassergefüllte Paranussschalen, die den wichtigsten Laichplatz für Adelphobates castaneoticus bilden, allerdings konnte ich bisher keine Pfeilgiftfrösche in und um die Schalen herum finden. Ziel ist es zu zeigen, dass die Frösche tatsächlich ihre Kaulquappen auf dem Rücken zur Paranussschale tragen und dort ins Wasser entlassen.
Auf der anderen Flussseite (Westen) gibt es ein ähnliches Gebiet mit einer weiteren Pfeilgiftfroschart, Ameerega picta. A. picta ist in etwa so groß wie Ameerega flavopicta, besiedelt ein vermutlich ähnliches Habitat und weicht nur leicht in der Färbung von A. flavopicta ab. Die Vermutung liegt nahe, dass es sich früher um die gleiche Art handelte, die allerdings durch den Rio Cristalino als natürliche Barriere getrennt wurde.
Inzwischen habe ich nach dem erwünschten Regen auch Adelphobates galactonotus gefunden:
Um das Gebiet zu erreichen, in dem A. picta vorkommt, werde ich früh morgens mit dem Motorboot flussaufwärts in das Gebiet gebracht, im Schlepptau ein Kajak, meinem Transportmittel für den ca. 45 min dauernden Heimweg flussabwärts.
In der Frühe, wenn es noch kühler ist und die Frösche aktiver, begehe ich das komplette Gebiet einmal und nehme alle gefundenen Individuen auf. Danach habe ich in den ersten Tagen mit GPS, Höhenmesser und Geologenkompass eine Reliefkarte erstellt. Die darauf folgenden Tage nutze ich, um in die erstellte Reliefkarte Geologie, Hydrologie, Vegetationsunterschiede und durch Anlegen von Bodenprofilen die Bodenveränderung einzutragen.
Ich stellte fest, dass das Gebiet sich in ein höheres und ein tiefer gelegenes Plateau gliedert, das durch eine flachgründiges Waldstück verbunden ist.
Nach der ersten Auswertung meiner erhobenen Daten ist festzustellen, dass Ameerega picta nur im höher gelegenen offenen Wald und auf den Granitplateaus anzutreffen ist. Da auf dem bloßen Granit das Wasser
schnell abfließt und nur in den Vertiefungen kleine Pfützen bildet, stellen die kleinen offenen Waldzonen mit flachem Bodenprofil eine vermutlich wichtige Pufferzone für das Wasser dar.
Meine aufgestellte Hypothese konnte ich durch eigene Beobachtungen bestätigen, da es in den letzten drei Tagen nicht geregnet hat und die meisten Pfützen auf dem höheren Plateau ausgetrocknet sind. Über das
tiefer gelegene Plateau fließt dennoch Wasser aus dem mittleren Waldgebiet. Dieser abiotische Faktor stellt vermutlich eine wichtige Überlebensgrundlage für Ameerega picta dar.
Pfeilgiftfrösche sind sehr „scheu“. Sobald diese die geringste Erschütterung spüren, verstummen sie und sind mit ihrer Größe von etwas über 2 cm fast unmöglich aufzuspüren. Wenn die Pfeilgiftfrösche nicht gerade direkt über die Füße hüpfen, benötige ich viel Geduld, um sie zu auszumachen, was angesicht der Moskitoscharen eine große Herausforderung darstellt.
Es gelang mir, ein männliches Individuum während seiner Rufe zu photographieren und die Rufe aufzunehmen. Mit den aufgenommen Rufen hoffe ich, in den folgenden Tagen Ameerega picta leichter anlocken und damit kartieren zu können.