Jan, zum Zweiten. Nachdem mein Notebooks nun wieder repariert ist, kann ich euch endlich wieder Bericht erstatten. Mittlerweile ist die Filmcrew abgereist und macht nun ein paar Überflugaufnahmen in der Nähe von Manaus. Ich gehe davon aus, dass aus dem Film was wird. Denn der Filmdirektor hat 11 Jahre lang die Jacques Cousteau-Reihe gemacht. Mit etwas Glück hat es sogar einer „meiner“ Leuchtkäfer in den Film geschafft.
Von der Lampyriden-Jagd kann ich berichten, dass die Sammlung langsam wächst und fehlende Paare gefunden wurden. Die Sammlung bleibt dann hier an der Cristalin-Stiftung FEC. Nicht jede nächtliche Sammelaktion ist von Erfolg gekrönt. Oftmals gehen stets die selben Arten ins Netz oder ich gehe komplett leer aus. An solchen Nächten glaubt man, die Leuchtkäfer spielen mit einem und amüsieren sich über die ständigen Richtungsänderungen des „Jägers“, der da im Dunklen herumirrt. Man fühlt sich jedoch ziemlich stolz, wenn dann doch endlich eine neue Art ins Netz geht. Hier kann ich sagen, dass das Auffinden und Sammeln weiblicher Leuchtkäfer seine ganz eigenen Herausforderungen birgt. Nicht nur, dass sie extrem scheu sind und einen im Dunkeln zu sehen scheinen, ist es bei ihnen auch wichtig, im richtig Zeitpunkt zu erscheinen. So fand ich die Weibchen zweier Arten an Orten, wo ich bisher nur Männchen gefunden hatte. Das mag dem einen oder anderen logisch erscheint: „ Wo männliche Individuen sich aufhalten, da sollte das Weibchen nicht weit sein.“ Doch weit gefehlt. Die Männchen einer Art (ich nenne sie mal Art 1, da ich sie erst noch bestimmen muss) leuchten von 20 Uhr bis 21:30 Uhr, die Weibchen hingegen erscheinen erst gegen 1 Uhr bis 2 Uhr in der Früh. Eine möglich Erklärung wäre natürlich, dass während der „rush hour“ gegen 20:30 Uhr das im zahlreichen Aufblinken der Männchen das Leuchten der Weibchen vom Beobachter, also mir, nicht erkannt wird.
Neben dem Sammeln versuche ich immer Fotos von den Lampyriden zu machen. Letztendlich soll für die FEC ja eine Präsentation entstehen. Dabei kommt es zu interessanten Aufnahmen, z. B. von einer Schnecke, die versucht, vor einer Lampyriden-Larve zu fliehen oder von Schnellkäfer-Larven der Art Pyrearinus termitilluminans COSTA 1982 (Elateridae), die sich in Termitenhügeln vergraben und von dort aus Termiten und Ameisen erbeuten. Diese Schnellkäferlarven ragen dabei aus ihrem Höhlennetzwerk, das sich nur in der äußeren Schicht des Hügels erstreckt, heraus und locken durch langanhaltendes Leuchten ihres Prothoraxes ihre Beutetiere an. Das Interessante ist, daß sie damit die gesamte Umgebung beeinflussen und so ein eigenes Mikro-Ökosystem aufbauen. Durch die Reste der erlegten Ameisen und Termiten werden wiederum andere Kommensalen angelockt (unter anderem auch Skorpione, Spinnen, Diplopoden, Chilopoden sowie Frösche), die davon profitieren. Das hat wiederum zur Folge, dass deren Prädatoren, wie z. B. Vögel ebenfalls angezogen werden und mitgeschleppte Pflanzensamen in der Umgebung verbreiten.
Zum Bild mit der schneckenjagenden Lampyriden-Larve. Schnecken gehören offensichtlich zum Beutespektrum von Leuchtkäfer-Larven. Ebenso gehören Regenwürmer und frisch-totes Getier dazu, aber bei einigen Lampyriden-Arten auch weiche Früchte. Da das Erbeuten von Fallobst und leblosen Tieren nicht wirklich trickreich erscheint, ist im Gegenzug das „Niederreißen“ von noch lebenden Schnecken um so spannender!
Die Jagd beginnt wie in jedem guten Thriller mit dem Aufspüren des Opfers über dessen Fährte. Bei Schnecken ist das deren Schleimspur, die für Lampyriden-Larven über ihre Maxillarpapillen bis zu eineinhalb Tage aufspürbar ist. Die Aufholjagd selber ist, da es sich bei dem Opfer nun mal um eine Schnecke handelt, nicht wirklich von langer Dauer. Die Maxillarpapillen sind dabei so sensitiv, dass die Larven in der Lage sind, an der Zusammen-setzung des Schleims zu erkennen, wo sich Vorderteil und Hinterteil der Schnecke befinden. Die Larve besteigt dann die Schnecke über ihr Haus bis sie direkt über der Häuschenöffnung ist. Dort verharrt die Larve darauf wartend, daß die Schnecke herauskommt, um sich weiter fortzubewegen. Die Spannung ist auf dem Höhepunkt, denn darauf hat die Larve gewartet – sie schlägt ihre Mandibeln in die Schnecke. Diese sind zum Leidwesen der Schnecke mit einem Kanal durchsetzt, der direkt mit dem Mitteldarm der Larve verbunden ist. Damit ist die Larve in der Lage bei einem Biss Mitteldarmsekret in ihre Beute zu injizieren.
Das Zubeißens selber erfordert von der Larve eine gewisse Präzision, da das injizierbare Sekret nur begrenzt vorrätig ist. Der richtige Ort des Bisses liegt im Nackenbereich der Schnecke. Dort kann das Sekret die höchste Effizienz erreichen. Die zwei Ganglien der Schnecke zersetzen sich zu sprichwörtlichem Brei. Das erste Ganglion ist das Cerebralganglion, das Gehirn der Schnecke. Das zweite Ganglion ist das Pedalganglion, welches für die Kontrolle des Fußes der Schnecke verantwortlich ist. Während der Verwandlung der Ganglien von erkennbarer Zellstruktur zu undefinierbarer Masse versucht die Schnecke vor der Bedrohung, so schnell wie es ihr möglich ist, zu fliehen. Dabei gerät das Schneckenhaus in starke Seitenlage, die normale Verfolger auf dem Dach abschütteln würde. Die Lampyriden-Larven sind jedoch für solche Fälle besten vorbreitet bzw. ausgestattet. Neben Einzelkrallen an den Beinen besitzen sie zusätzlich ein recht effektives Organ am Abdomen (genauer am 10. Abdominalsegment), das sogenannte Pygopodium. Ein recht faszinierendes Anhängsel des Körpers, das den Larven dabei hilft, sich an dem Haus der Schnecke fest anzuhaften (für mehr Information dazu verweise ich gern auf meine Bachelorarbeit – sonst artet das hier noch aus). Mit Hilfe solcher „Tricks“ fällt es den Schnecken relativ schwer, den fest geklebten Prädator auf dem „Rücken/Haus“ los zu werden. Erkennt dies nun auch die Schnecke, beginnt sie die letzte Möglichkeit ihrer Defensivmaßnahmen einzusetzen: Schleim…und zwar jede Menge davon. Bei den meisten Bedrohungen ist diese Maßnahme sehr erfolgreich, wie zum Beispiel gegen attackierende Ameisen, jedoch völlig nutzlos gegen Lampyriden-Larven. Mit dem zunehmenden Zerfall der Ganglien geht eine Reduzierung der Herzfrequenz einher, die letztendlich zum Herzstillstand führt. Für die Lampyriden-Larve bedeutet das aber, das nun ein reichhaltiger Tisch endlich gedeckt ist. Mahlzeit!
Damit die Geschichte komplett erzählt ist, möchte ich hier noch auf ein interessantes Verhalten nach dem Fressen verweisen. Das Vertilgen einer Schnecke hat für Insekten häufig recht unangenehme Folgen, da nicht nur der „Mundraum“ verschleimt ist, sondern der gesamte Körper. Das zuvor für bessere Haftung nützliche Pygopodium, erweist sich nun als hilfreiches Putzorgan. Dazu zieht die Larve das Pygopodium wie einen Lappen über den gesamten Körper und befreit sich damit elegant vom störenden Schleim.
Lampyriden-Larve erbeutet Schnecke
Elateriden-Larve in Termitennest
Termitennest mit leuchtenden Elateriden-Larven
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