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Posts Tagged ‘Hevea brasiliensis’

Heute machte sich ein Teil unserer Gruppe auf den Weg durch den Taboca-Trail. Ziel der Tour war es uns die regionalen Heilpflanzen des Regenwaldes näher zu bringen. Nebenbei wurden uns weitere interessante Arten vorgestellt, wie die auf dem Bild zu sehende „Wanderpalme“ Socratea exorrhiza. Der Stamm beginnt ca. 1 Meter über dem Boden und steht auf langen Stelzenwurzeln. Diese sind im Gegensatz zum orthogonalen Stamm geneigt, sodass die Wanderpalme stets in Richtung Sonne wachsen kann. Wenn die Palme einseitig beleuchtet wird, würde der Stamm sich in Richtung Sonne neigen. Eine verstärkte Ausbildung weiterer Stelzwurzeln in diese Richtung bewirkt scheinbar ein „Wandern“ der Palme, wodurch sich die Palme angeblich in eine Richtung bewegen kann. Dies ist inzwischen allerdings widerlegt.

alfredo-wanderpalme

Der echte Kautschuk Hevea brasiliensis gehört zu den Euphorbiaceae (Wolfsmilchgewächse). Sein Milchsaft wird besonders für die Herstellung von Naturkautschuk und Latex sowie die Gummiherstellung benötigt. Verliert der Milchsaft an Wasser und trocknet aus, entsteht ein robustes und hitzebeständiges Material, welches nach chemischer Behandlung beispielsweise für Flugzeugreifen verwendet werden kann. Das Öl der Nuss-Frucht wird in der Produktion von Farben und Lacken genutzt.

kautschuk kautschuk-frucht

Nicht zu verwechseln mit dem Kautschukbaum ist der amerikanische Kuhbaum Brosimum utile (Moraceae), dessen Milchsaft einen hohen Fettgehalt und wichtige Nährstoffe besitzt. Der Geschmack ist vergleichbar mit Sahne. Zum Verzehr sollte man den Milchsaft stark mit Wasser verdünnen. Die Kleb- und Bitterstoffe des Baumes können durch Erhitzen entfernt werden. Wachsähnliche Stoffe der Milch werden u.a. zur Herstellung von Kerzen verwendet.

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Uns wurde eine Reihe von Nutzpflanzen gezeigt, zu denen wir die wissenschaftlichen Namen bislang nicht herausfinden konnten. Die Indios verwenden dafür sicherlich eigene Namen, die Alfredo aber zuweilen nicht erfuhr.
So kann die hier gezeigte Pflanze, die aufgrund ihrer unterschiedlichen Färbungen auf Blattober- und -unterseite gut zu erkennen ist, nach einem Schlangenbiss verwendet werden, um die Zeit für eine lebensrettende Behandlung zu verlängern.

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Die in der Rinde einer Liane enthaltenen Öle können bei Durchfallerkrankungen zu einer Linderung führen. Dazu müssen mehrere kleine Stücke der Rinde mit kochendem Wasser übergossen werden. Nach ca. 5 min schwimmt die Rinde aufgrund der darin enthaltenden Öle an die Wasseroberfläche. Wurden die Öle erfolgreich herausgelöst, sinkt die Rinde auf den Boden ab und das Getränk kann zu sich genommen werden.

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Die Blätter dieser rotfrüchtigen Pflanze helfen bei Hepatitiserkrankungen. Dazu müssen die Blätter als Tee aufgekocht werden. Auch das Duschen über eine Woche mit dem Sud besitzt eine heilende Wirkung.

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Die Wurzeln des Cano-do-brejo, Costus spicatus, können aufgekocht werden und helfen gegen Nieren- und Blasensteine. Der Pflanzenwirkstoff hat zur Folge, dass die Blasen-/Nierensteine klein und abgerundet werden und somit das Ausscheiden ermöglicht wird.

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Eine Pflanze die nicht nur lokal eine Verwendung findet, sondern auch international in der Anästhesie ist der Paraguay-Jaborandi  Pilocarpus microphyllus. Beim Zerkauen der Blattstiele tritt der Wirkstoff Pilocarpin aus, welcher zu einer leichten Betäubung der Zunge führt.

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Wie auf dem folgenden Bild zu sehen ist, schlingt sich ein Großteil der Lianen im tropischen Regenwald entgegen dem Uhrzeigersinn um Bäume. Dies ist auf klimatisches Phänomen zurückzuführen. Aufgrund der starken Wasserverdunstung im Regenwald entsteht innerhalb der ITC (Innertropische Konvergenzzone) in Bodennähe ein thermisches Tiefdruckgebiet und in der Höhe ein thermisches Hochdruckgebiet. Aufgrund der Eigendynamik der Druckgebilde werden warme Luftmassen somit gegen den Uhrzeigersinn in die Höhe gehoben. Die Lianen folgen dem Weg des geringeren Widerstandes und wickeln sich analog dazu um die Bäume. [Soweit die Theorie. Der empirische Nachweis muss allerdings noch geführt werden…]

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Bestimmte Ameisen (Azteca spec.) bauen Kartonnester. Hält man seine Hand an den Ameisenbau klettern die Ameisen auf die Handfläche und erzeugen ein Gefühl, das einem leichten elektrischen Kriechstrom ähnelt. Zerreibt man nun die Ameisen, wird eine duftende Substanz freigesetzt, die als Repellent gegen Moskitos wirken.

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Wir konnten auch einen Trogon (Trogon collaris), einen Morpho-Falter, zahlreiche Kapuzineräffchen sowie einen wunderschönen Glasflügelschmetterling (Haetera piera, Piera Satyr, Satyrinae, Nymphalidae) beobachten.

glassfluegelschnetterling

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Die ersten Sonnenstrahlen durchbrechen das immergrüne, dichte Blätterdach. Tau tropft von den großen Palmenwedeln der Açaí Palme (1) auf den dicht bewachsenen Waldboden.

Açai_CathrinHauk

Doch auch an diesem Morgen weicht die Frische des Morgengrauens vor der drückenden Hitze.
Immer tiefer dringt der sandige Weg in den geheimen Garten vor. Brettwurzeln und Spinnweben versperren von Zeit zu Zeit den Weg. Inmitten des Waldes ist der Himmel kaum noch zu sehen. Zikaden und ein einsamer Vogel singen ihr Lied.

Weiße Milch tropft aus den Wunden der „Amazonas-Kuh“. Nicht Kautschuk (2), sondern schmackhafte Milch gibt der Wald dem, der den Sovera-Baum findet. Der Geschmack kleiner, weißer Amarescla-Samen (3), die aus knallroten Schalen hervorschauen, ruft Erinnerungen an Zuckerwatte wach.

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Süß schmeckt auch der Honig der stachellosen Biene und bitter die Rinde des „Malaria-Baums“ (4).

Chinarinde_CathrinHauk
An einer Stelle des Waldes bedecken kleine rote Beeren den Boden. Die Blätter der Pflanze reinigen die Leber bei Gelbsucht. Der Name der Pflanze bleibt wie vieles andere ein Geheimnis der Indios. Manchmal gibt der Wald seine Geheimnisse auch bereitwillig preis. Zweilappig nierenförmig sind die Blätter, aus denen ein Tee gegen Nierenkolik gekocht werden kann (5).

Bauhinia_1_CathrinHauk Bauhinia_2_CathrinHauk

Die zerkauten Blattstiele der Jaborandi-Blätter (6) brennen auf der Zungenspitze. Für kurze Zeit ist die Zunge wie betäubt, bevor das Wasser im Mund zusammenläuft.
Blätter, wie Schlangen mit heller gefärbten Unterseiten, retten zwar nicht vor dem Tod, doch verlängern sie das Leben um wenige Stunden bei einem potentiell tödlichen Biss, so dass ein Arzt vielleicht noch erreicht werden kann.

Schlangenblatt_CathrinHauk
Die Rinde des Mädchenbeinbaums“, der Pele-de-Moça“ (7) ist seidig glatt. Auch sie ist Medizin, Malaria und Leishmaniose soll sie vertreiben.

Maedchenbeinbaum_1_CathrinHauk Maedchenbeinbaum_2_CathrinHauk

Alles was du brauchst, wirst du im Wald finden, hören wir. Reines Wasser fließt aus Lianen und hohlen Bambusrohren. Wer eine Machete hat und es schafft, an die castanha-de pará (8) zu gelangen wird keinen Hunger leiden müssen. Die duftende Rinde des Campherbaums (9) muntert auf und lindert Erkältungen.

Campherbaum_1_CathrinHauk Campherbaum_Alfredo_CathrinHauk

Fruchtig sauer und doch fremd schmecken die Cupuaçu- (10) und Cajá-Früchte (11). Doch nicht von jedem Baum ist gut zu essen, denn auch giftige Pflanzen locken mit bunten Früchten.

Die Indios sind nicht mehr da, aber Alfredo, unser Guide hat ihr Wissen bewahrt und an uns weitergegeben. Auch die Sprache seiner Vorfahren spricht er fehlerfrei, obwohl er nie dort war, in Deutschland.

Ein fernes Donnergrollen ist zu hören. Einen Moment lang scheint der Wald den Atem anzuhalten. Dann ist er da, der Regen, und alles versinkt in einem dunklen warmen Rauschen.

Manche der Arzneipflanzen konnten auch identifiziert werden:

1. Die Früchte der Açaí-Palme (Euterpe oleracea Mart.; Arecaceae) boomen aufgrund ihres Gehalts an Antioxidantien und Eisen als Superfood in Europa. Dort sind die leicht verderblichen Beeren allerdings nur in Form von gefriergetrockneten Pulvern und Säften erhältlich.
2.  Der echte Kautschukbaum (Hevea brasiliensis; Euphorbiaceae) stammt aus Brasilien
3.  Amarescla; Tetragastris altissima (Aubl.) Swart.; Burseraceae
4.  Der Name des roten Chinarindenbaums (Cinchona pubescens (Vahl.); Rubiaceae) stammt wahrscheinlich aus der Quechua Sprache. Quina-quina bedeutet so viel wie „Rinde der Rinden“. Die grau bis rötlich graue Rinde enthält das bitter schmeckende Chinin. Dieser war der erste Wirkstoff gegen Malaria und wird teilweise bis heute eingesetzt. In niedrigeren Konzentrationen kommt Chinin auch in Erfrischungsgetränken vor.
5.  Die nierenförmigen Blätter gehören möglicherweise zur Gattung der Bauhinien;  Fabaceae.
6.  „Jaborandi“ (Pilocarpus pennatifolius; Rutaceae) bedeutet so viel wie  „vermehrter Schweiß“. Die Blätter enthalten Pilocarpin, welches unter anderem die Speichelsekretion anregt. Zudem wird es in Form von Augentropfen bei erhöhtem Augeninnendruck (Grüner Star) eingesetzt.
7.  Der wässrige Rindenextrakt des Mädchenbeinbaums, Pele-de-moça oder auch Pau-mulato (Calycophyllum multiflorum; Rubiaceae) wird traditionell bei Malaria und Leishmaniose eingesetzt.
8.  Die Nüsse des Paranussbaums (Bertholletia excelsa; Lecythidaceae) enthalten besonders viel Selen und ungesättigte Fettsäuren.
9.  Das Holz des Campherbaums (Cinnamomum camphora L.; Lauraceae) enthält ätherische Öle, die bei einer Erkältung und anderen viralen Infekten eingesetzt werden können.
10.  Cupuaçu: Theobroma grandiflorum; Malvaceae
11.  Cajá: Spondias mombin; Anacardiaceae

Cathrin Hauk

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Der Wald beherbergt nicht nur spannende Tiere, sondern auch spannendes Grün. Unser Guide Alfredo (Alfredo Borkenhagen) durfte im Laufe seines langen Lebens 30 Tage mit Ureinwohnern Brasiliens zusammenleben. In dieser Zeit lernte er unglaublich viel über den Gebrauch der Regenwaldpflanzen und deren unterschiedlichste Heilwirkungen kennen. Auf dem Taboca-Trail (Bambus-Weg) zeigte Alfredo uns zunächst eine strauchige Brennnessel, die trotz relativ unscheinbaren Grüns und großen, zerfressenen Blättern eines der wirkungsvollsten Antibiotika des Waldes in ihrer Wurzel versteckt. Wird die Wurzel gekocht, erhält man einen schwarzen, furchtbar aussehenden Sud, der antibiotisch wirken soll.
Ein paar Meter weiter hielt er uns einige Blätter entgegen und sagte: „Probiert mal, kaut ein bisschen auf dem Stiel herum – dann wird die Zunge taub.“ Gesagt, getan. Wir standen dort und kauten auf Blattstielen herum, die tatsächlich unsere Zungen und Lippen betäubten, ungefähr wie beim Lutschen einer grünen Halsschmerztablette (allerdings war es gleichzeitig ein erfrischender Geschmack). Wir fragten, ob alle der kleinen Pflanzen, die da am Wegrand standen und für uns alle ziemlich gleich aussahen, was Blattform, Wuchshöhe und Farbe betrifft, auch alle zu derselben Art gehören würden. Alfredo musste ein bisschen lachen und meinte: „Nein, nur diese und diese. Alle anderen nicht!“ Irgendwie sehr beeindruckend.
Wenn man die Heilwirkungen der Pflanzen im Wald nutzen will, muss man sich sehr, sehr gut auskennen und die kleinsten Unterschiede in der Oberflächenstruktur eines Blattes oder der Anordnung der Blattadern erkennen und zu deuten wissen. Kein einfacher Job. Aber im Fall der Fälle lebenserhaltend. Wir kamen noch öfter an Stellen vorbei, an denen wieder diese Pflanzen standen, die der Betäubungspflanze ähnlich sahen, und nie konnten wir die Pflanzen auseinanderhalten. Nur Alfredo konnte mit Sicherheit sagen, welche die Richtige ist.
Wir gingen weiter und plötzlich huschte etwas Braunes über den Weg. Eine Lianenschlange wand sich blitzschnell aus dem Unterholz, schlängelte sich rot züngelnd an uns vorbei und verschwand dort ebenso schnell wieder wie sie aufgetaucht war. Während wir über umgefallenen Baumstämme kletterten (Zitat Alfredo: „Bäume fallen immer über den Weg, nie in den Wald!“), rechneten wir jeden Moment damit, auf weitere Schlangen zu treten.
Während der Tour gab Alfredo uns auch einige weitere Survival-Tipps für den Urwald. Beispielsweise kann man, wenn man sich verirrt hat und durstig ist, keimarmes Wasser aus Lianen trinken. Außerdem sollte man hier in der Nähe der Lodge immer Richtung Süden laufen, da von hier aus Richtung Süden weniger Wald ist, als in Richtung Norden (der Wald wurde von Süden her abgeholzt). Kein Kompass? „Süden ist immer da, wo am Baum viel Moos wächst“, weiß Alfredo, und was er sagte, stimmte mit unserem Kompass überein.
Am Ende des Weges durften wir noch einmal etwas probieren, denn unsere Zungen waren wieder fit, die Betäubung hatte nachgelassen. Wir probierten die Rinde des Chinarinden-Baumes, die alles andere als erfrischend schmeckt – sie ist bitter und zieht einem alles im Mund zusammen, wenn man etwas zu gutmütig und zu lange darauf herumkaut. Die Rinde enthält Chinin und hilft gegen Malaria, wenn man einen Tee aus ihr kocht.
Zum guten Schluss zeigte Alfredo uns noch den Parakautschukbaum, Hevea brasiliensis, was übersetzt so viel heißt wie „der Reichtum Brasiliens“. Tatsächlich fußte der gesamte Reichtum Brasiliens einst mehrfach auf diesem Baum, allerdings nur so lange, bis der spielsüchtige Brite Henry Wickham Kautschuksamen aus Brasilien schmuggelte und einige Samen über Kew Gardens nach Asien gelangten. Die dort auf Plantagen angebauten Bäume setzten dem brasilianischen Kautschukboom anno 1905 ein jähes Ende.

Hevea brasiliensis

Hevea brasiliensis

Nach dieser Geschichte dankten wir Alfredo für seine unglaublich tollen, einmaligen Führungen, die unsere Sinne auf vielfältige Art und Weise angesprochen haben. Alfredo ist seit 2006 am Cristalino dabei, als die Tübinger Exkursion dort zum ersten Mal stattfand (Dank an Dr. Peter Petermann).

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