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Archive for 19. Februar 2011

Aus der wilden Metropole ins idyllische Städtchen

Nach den ersten zwei Tage in Rio, sind wir gestern  (17. Februar) in nordwestliche Richtung, in den Bundesstatt Minas Gerais weitergereist.   Nachdem RR uns um 6 Uhr morgens mittels telefonischem Weckruf aus dem Bett geschmissen hatte, machten wir uns nach einigem Hin und Her beim Verladen von Gepäck und Mannschaft um halb 9 mit zwei Kleinbussen auf den Weg. Die Fahrt führte uns kurz über Rio durch den Nationalpark des Orgelgebirges, einen wunderschönen Gebirgszug, dessen Hänge dicht mit Atlantischem Regenwald bewachsen sind. Obwohl ich Dank des frühen Aufstehens todmüde war, versuchte ich den Schlaf mit aller Macht zu bekämpfen, der Blick aus den Busfenstern auf die in Schluchten wuchernden Wälder war  einfach zu gewaltig, um ihn zu verpassen.

Ziel unserer knapp 6 stündigen Reise und gegenwärtiger Aufenthaltsort ist Tiradentes. Eine kleine, 6.000 Einwohnerstadt im Süden von Minas Gerais und der komplette Gegensatz zum Lärm und Chaos von Rio. Die um 1700 entstanden Goldgräberstadt  (Minas Gerais bedeutet „allgemeine Minen“ und verweist auf die Bergbauvergangenheit der Region) ist komplett erhalten und verführt den Besucher mit kolonialem Charme. Barocke Kirchen, bunte Häuser und gepflasterte Straßen, Tiradentes ist wie ein großes Freilichtmuseum, unheimlich idyllisch, aber auch relativ leblos. Und dass, obwohl es den Namen eines  brasilianischen Befreiungskämpfers und Volkshelden trägt:  Tiradentes , der mit bürgerlichem Namen Joaquim José da Silva Xavier hieß  und seine Spitznahmen aufgrund seines Berufes trug (Tiradentes=Zahnzieher). 1792  war er der Anführer einer Revolte gegen die kaiserliche Obrigkeit. Doch seine Unabhänigkeitsbewegung  wurde  verraten und Tiradentes am 21. April  1792 in Rio geköpft und gevierteilt.

Foto: PU

Doch anscheinend ist es hier nicht immer so ruhig. Der Reiseführer behauptet, dass zur Karnevals- und Osterzeit die geschichtswütigen Massen zu Tausenden in das kleinen Städtchen einfallen. Momentan treiben sich außer uns aber nur noch die Teilnehmer eines kleinen Fotografiefestivals durch die engen Gassen der Stadt.

Foto: RR

Die „Rauchende Maria“

Neben seinen pittoresken Kolonialstädtchen  kann sich Minas Gerais noch mit vielen weiteren historischen Leckerbissen rühmen. Eines davon ist ohne Zweifel die Estrade de Ferro Oeste de Minas, kurz EFGM, eine Schmalspurbahn aus dem späten 19. Jahrhundert, deren antike Wagons damals wie heute von einer schwarzglänzenden Dampflock (liebevoll auch „Rauchende Maria“ genannt) gezogen werden. Die Strecke ist Teil der ersten Eisenbahnlinie Brasiliens, für deren Bau Irineu  Evangelista de Souza, „o Barao de Mauá“ verantwortlich ist. Dieser gab der ersten Lokomotive, die er  nach Brasilien brachte, als Widmung an seine Frau den offiziellen Namen „a Baroneza“. Ob dies als Liebesbeweis gesehen werden muss, oder ob seinen Frau viel mehr ein feuerspeiendes Ungetüm war, bleibt fraglich.

Baum im Hintergrund: Spathodea nilotica, aus Afrika.                 2 Fotos: RR, CS

 

Sicher ist, dass wir die 45 Minütige Fahrt ins 12 km entfernte São João del Rei alle sehr genossen haben. Die gefederten Lederbänke war bequem,  durch die offenen Fenster wehte eine leichte Brise und der engagierte Biologe konnte nebenbei sogar noch Vögel beobachten.

In São João del Rei haben wir eine kleine Stadtführung gemacht. Die Stadt, die im gleichen Zeitraum wie Tiradentes erbaut wurde, ist ebenfalls eine Goldgräberstadt, heutzutage mit ihren 80.000 Einwohnern aber wesentlich größer als die beschauliche Nachbarin. Im historischen Zentrum wimmelt es von barocken Kirchen und Kapellen, aber es gibt nicht nur Zeugnisse der Frömmigkeit. Auch ein steinerner „Marterpfahl“ für „ungehorsame“ Sklaven, hat auf einem Platz vor den Türen zur Residenz seines ehemaligen Erbauers,  die Zeiten überstanden und erinnert  die Besucher der Stadt an die Sklaven, auf deren Rücken all die barocke Pracht entstanden ist.

Foto: RR

Das Wohnhaus von Tancredo Neves, der 1985 am Ende der letzten Militärdiktatur demokratisch zum Präsidenten gewählt wurde und wenige Tage darauf auf mysteriöse Weise verstarb.

Zurück in Tiradentes

Zum Abschluss des Tages, und um die Sparte der historischen Gefährte auch wirklich 100% abzudecken, haben sich einige aus der Gruppe noch für eine kurze kulturelle Rundfahrt mit einem antiken Chevrolet Tiger von 1935 entschieden. Während wir bloggen, bekommen sie einen eineinhalb stündigen Crashkurs in Geschichte.

Foto: CS

Mit diesem Foto eines Chevrolet Tiger von 1935 grüssen wir Prof. Hampp in Tübingen.

Morgen werden wir von hier nach Caraça aufbrechen, um Mähnenwölfe zu beobachten.  Back to the roots, da freut sich der Biologe! Internet  werden wir dort erst mal nicht haben.

SW

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