Inzwischen sind wir nach acht Stunden Busfahrt durch die hügelige, kleinlandwirtschaftliche, von heftiger Erosion gezeichnete Landschaft in Ipanema (die Stadt heißt nur so wie der Strand in Rio de Janeiro) im Osten von Minas Gerais angekommen und holen unseren nächsten Wolkenbruch ab. Manche verloren sich in der endlosen shopping-mall von Ipanema…
Kaffeeplantagen unterwegs, im mittleren Foto mit jungen gepflanzten Mahagoni-Bäumen
Rainer Radtke entspannt sich vor dem Hotel in Ipanema
Die Suche nach den Spinnenaffen / Muriqui (Brachytheles hypoxanthus) im RPPN Feliciano Miguel Abdala war am ersten, regnerischen Tag erfolglos. Rainer hielt einen einführenden Vortrag über den Spinnenaffen und die Beonderheiten der Fazenda, auf der die Art dank der Voraussicht des Vorbesitzers bis heute überleben konnte.
Immerhin kamen uns die hiesige Brüllaffen-Art (Alouatta guariba, ehemals. A. fusca) und Kapuzineraffen (Cebus apella) vor die Linsen und Callithrix flaviceps vor die Ohren. Außerdem fanden wir einen Hornfrosch (Proceratophrys boiei, Leptodactylidae), den Rainer selbstverständlich artgemäß aus der Froschperspektive [sic!] fotografierte:
Der zweite Tag hingegen war ein voller Erfolg! Neben Brüllaffen und Kapuziner-Affen konnten wir in Ruhe zwei Gruppen der Muriqui-Affen beobachten, die in den Bäumen über uns umherkletterten und reichlich Pflanzennahrung zu sich nahmen.
Die Tiere sind individuell am Gesicht und teilweise auch an ihrer Stimme erkennbar. Eine Wissenschaftlerin aktualisiert derzeit die „Passfotos“ einer Gruppe von 126 Tieren. Unser Guide erkannte ein Weibchen wieder, das er seit 20 Jahren beobachtet!
Beim Abstieg von einem Trail stolperten wir buchstäblich über eine schöne Bothrops jararaca (vgl. Liste der Reptilien Brasiliens):
Wie gingen einen überwachsenen Weg entlang, der von zahlreichen Netzen einer Seidenspinnen-Art (Nephila spec.) mit ihren gelblichen Spinnfäden überspannt war.
Eine Seidenspinne mit einem erbeuteten Käfer in ihrem Netz. Größere Beutetiere wie in manchen Mitteilungen erwähnt (1, 2) konnten wir aber nicht entdecken.
Drama in der Mata Atlantica
Als wir uns gerade von der Bothrops jararaca losgerissen hatten und 100 Meter weiter den rutschigen Lehmhang hinabliefen, entdeckten wir einen nervös herumfliegenden und Warnsignale ausstoßenden weiblichen Kolibri der Art Thalurania glaucopis. Bei näherer Betrachtung eines Baums fanden wir eine ca 1,60m lange Schlange der Art Clelia clelia, die sich einem Kolibrinest näherte. Verzweifelt versuchte das Kolibriweibchen, durch dichtes Anfliegen der Schlange diese abzulenken, währens diese allerdings immer weiter vorwärts kroch. Angelockt von den Warnrufen des Kolibriweibchens näherte sich ein weiterer Kolibri der Art Phaethornis ruber, um sich einen Überblick über die Lage und den potentiellen Feind zu verschaffen.
Erst als unser Guide Lucas die Verzweiflung des Kolibriweibchens nicht mehr mitansehen konnte und in die Situation eingriff, indem er versuchte, die ungiftige Natter vom Baum zu holen, schlängelte diese mit wild zitterndem Schwanzende in die höheren Bäume zurück. Das Kolibriweibchen stellte der Schlange noch kurze Zeit nach. Bei Begutachten des Nestes fand Lukas allerdings weder Eier noch Jungtiere. Entweder war die Schlange schon dort gewesen, um die Küken zu fressen und wartete nun auf die zurückkehrende Mutter oder das Nest war noch leer gewesen.
Die Schlange aus der Familie der Nattern (Colubridae) gehört zur Gattung der Mussuranas (Clelia spec.). Die Körperlänge kann bei adulten Tieren von 1,50m bis zu 2,40m variieren. Interessant ist auch, dass diese Art immun gegen das Gift anderer Schlangen wie den Lanzenottern (Bothrops spec.) ist. Sie ernährt sich meist von anderen Schlangen, Schleichen und Echsen. Mussuranas besitzen 10-15 proteroglyphe Zähne, mit denen sie versuchen, den Kopf anderer Schlangen zu packen und sich dann um diese winden, weshalb sie auch Pseudoboas genannt werden.
Links die Schlange, sich dem Kolibrinest nähernd, in der Mitte das Kolibriweibchen, rechts der Kopf der züngelnden Schlange
Jonas Benner
Nach den Führungen überreichte Rainer unserem Guide Roberto ein Exemplar des Buches über die Fritz-Müller-Ausstellung.